an W.
Anstelle eines Vorwortes
Unsere Geschichte war einmalig und kurz, aber unvergesslich und wir erinnern uns unser ganzes Leben lang an sie.
Da habe ich ihn kennengelernt. Es war möglich, die Sprache des anderen nicht zu kennen, man konnte sogar stumm und taub sein, nicht den Mund aufmachen, alles war klar und deutlich. Wir hätten kein einziges Wort sagen sollen, als wir uns damals das erste Mal in die Augen sahen, wussten wir sofort alles über einander. Es gab keine Leidenschaft, es gab ein sehr seltsames Gefühl der Einheit, das Gefühl, als ob wir uns schon unser ganzes Leben lang gekannt hätten. Dieses Gefühl hat man, wenn man als Erwachsener seine Freunde aus der Kindheit trifft, wenn man in das Haus seiner Eltern zurückkehrt, wo einem alles vertraut, hautnah und geliebt ist, oder wenn man sein eigenes Kind umarmt.
Wir verbrachten wunderbare Zeit beim Spazierengehen durch die kleinen Straßen der grünen Stadt und einfach fröhlich lachend ohne Ziel beim Herumrasen mit meinem neuen Kleinwagen, damals hatte ich erst frisch den Führerschein gemacht.
Und dann ein paar Monate später verbrachten wir märchenhafte Zeit in Braunschweig, der Löwenstadt. Es waren leise Spaziergänge durch die riesigen grünen Parkanlagen, unvergessliche Stunden in den zahlreichen gemütlichen Straßenrestaurants. Wir genossen die Gesellschaft des anderen, tranken Rotwein und aßen morgens Croissants mit Käse. Wir machten Picknicks, verließen die Stadt für den ganzen Tag oder lauschten der majestätischen und kraftvollen Orgel der Alten Kirche im Zentrum der Stadt und landeten irgendwie sogar in einem Schloss, wo wir die ganze Nacht plauderten. Und dann kehrte jeder von uns in seine Welt zurück und versuchte weiter zu leben.
Eines Tages bekam ich einen Brief. Das war ein echter Papierbrief, den jemand mit seiner eigenen Hand auf raues, geripptes weißes Papier geschrieben hatte, auf dessen Umschlag es viele Briefmarken und zahlreiche Poststempel zu sehen gab. Das war das erste Kapitel des Märchens. Noch am selben Abend brachte ich das zweite Kapitel der Geschichte zur Welt und schickte es gekennzeichnet mit “postlagernd” an den Empfänger zurück. Dann gab es noch andere Briefe.
Das 1. Kapitel. Der Löwe (das Kapitel des Löwen)
Der Löwe liegt einsam unter seinem Baum als plötzlich ein Fremder hinten dem Stamm hervortritt und den Löwen anspricht: “Löwe, warum schaust du so traurig in die Ferne und lächelst doch so glücklich dabei?” “Ich bin verliebt”, — antwortet der Löwe, -deshalb bin ich glücklich wie nie zuvor in meinem Leben, aber meine geliebte Prinzessin entfernt sich gerade von mir und ich weiß nicht, wann ich sie wiedersehe, deshalb bin ich traurig!” “Einen Grund zum Trauen gibt es nicht, Löwe, denn dir und deiner Prinzessin ist das größte Glück der Welt begegnet, die Liebe”, — bemerkt der Fremde mit einem weisen Lächeln.
“Ich weiß gar nicht, warum ich mit Dir über meine intimen Gefühle rede, Fremder, -murmelt der Löwe, — aber irgendwie habe ich das Gefühl Dich zu kennen, Dir schon begegnet zu sein!”
“Du hast Recht, Löwe, denn ich bin das Gestern, das Heute und das Morgen, ich bin Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, ich bin die Luft, die Liebende atmen, ich bin die Hoffnung und das Vertrauen, ich bin die Sehnsucht und die Erfüllung, ich bin Allah, Gott und Buddha, ich bin die Liebe!”
“Jetzt weiß ich, warum du mir nicht fremd bist, warum ich Vertrauen zu dir habe und mit dir über meine geheimsten Gefühle reden kann. Wenn du das bist, was du vorgibst zu sein, dann kannst du mir auch sagen, wie es mit unserer Liebe weitergeht, wann ich die Prinzessin wiedersehe, mit ihr tanzen darf, sie liebkosen, streicheln und küssen darf, ihre filigranen Hände berühren kann, die zärtlichen Tanz der Finger unserer Hände fortsetzen darf?”
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